Lauthals bekennen sich viele Unternehmen zu Diversity und Inklusion – und gestalten gleichzeitig Bewerbungsprozesse, die für Millionen potenzielle Kandidat:innen voller Hürden sind. Die Realität: In der EU leben schätzungsweise 100 Millionen Menschen mit Behinderungen, und in Deutschland leben 10,4 Millionen Menschen mit Behinderung. Diese riesige Talentreserve bleibt jedoch oft ungenutzt. Wer 2025 als hochqualifizierte:r Kandidat:in mit Handicap auf „Jetzt bewerben“ klickt, trifft nicht selten auf digitale Barrieren statt auf Willkommenssignale.
So paradox es klingt: Viele Unternehmen investieren große Summen in Employer Branding und Hochglanz-Diversity-Kampagnen – und schrecken dann genau die Vielfalt, die sie anziehen wollen, durch unzugängliche Bewerbungsformulare und Karriereseiten ab. Fehlende Barrierefreiheit führt bei betroffenen Bewerber:innen zu Frust – und direkt zu einem negativen Bild vom Arbeitgeber. In Zeiten des Fachkräftemangels kann sich kein Unternehmen solche Widersprüche leisten. Inklusion im Recruiting ist ein handfester Wettbewerbsfaktor. Ein barrierefreier Bewerbungsprozess wird zum Prüfstein für glaubwürdiges Employer Branding – und genau darum geht es in diesem Artikel.
Größere Talent-Pipeline – Mehr Bewerber:innen durch inklusive Prozesse
Viele Unternehmen suchen händeringend nach qualifizierten Fachkräften – und schließen gleichzeitig ganze Bewerbergruppen unbewusst aus. Barrierefreiheit ist im Recruiting noch immer die Ausnahme. Dabei entscheiden winzige technische Details oft darüber, ob jemand eine Bewerbung abschickt oder frustriert aufgibt. Für Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen oder neurodivergenten Profilen sind digitale Hürden im Bewerbungsprozess der Alltag.
Genau hier liegt ein hohes ungenutztes Potenzial. Rund 10,4 Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer anerkannten Behinderung. Hinzu kommen Millionen weitere, deren Einschränkungen nicht offiziell erfasst sind – aber im Alltag stark wirken. Wer diesen Talenten den Zugang erleichtert, öffnet sich nicht nur einem größeren Kandidatenkreis. Es signalisiert: Ihr seid willkommen. Und zwar nicht nur in der Kommunikation, sondern in der Praxis.
CareerTeam bringt es auf den Punkt: Barrierefreie Recruitingprozesse helfen Unternehmen, „ein breiteres Feld an Talenten zu erreichen“ – und das über klassische Zielgruppen hinaus. Denn Inklusion wirkt auch für Menschen mit temporären Einschränkungen, für Eltern mit Pflegehilfe-Verantwortung oder für neurodiverse Talente. Jeder Zugang zählt.
Und: Es lohnt sich. Unternehmen, die auf barrierefreies Recruiting setzen, berichten laut Accenture von mehr qualifizierten Bewerbungen, höherer Produktivität und gesteigerter Loyalität im Team (Accenture 2023). Denn Vielfalt beginnt mit Zugang. Und Zugang beginnt mit Barrierefreiheit.
Bessere Reputation – Unternehmen mit Diversitätsstrategie sind attraktiver
Employer Branding lebt nicht von Versprechen, sondern von Glaubwürdigkeit. Viele Karriereseiten zeigen diverse Stockfotos und sprechen über Chancengleichheit – doch was passiert, wenn ein:e Bewerber:in mit Behinderung sich tatsächlich online bewirbt? Ist der Prozess wirklich barrierefrei? Oder endet die Diversität beim Bildmaterial?
Gerade für junge Talente ist Authentizität entscheidend. Laut Deloitte achten über 70 Prozent der Gen Z bei der Arbeitgeberwahl darauf, ob Inklusion nicht nur kommuniziert, sondern gelebt wird. Ein barrierefreier Bewerbungsprozess wirkt dabei wie ein Realitätscheck. Er zeigt, wie ernst es einem Unternehmen mit Vielfalt tatsächlich ist.
Unternehmen, die diesen Anspruch konsequent umsetzen, gewinnen nicht nur das Vertrauen von Bewerber:innen. Sie senden auch ein klares Signal an Kund:innen, Investor:innen und Mitarbeitende: Wir meinen es ernst mit Inklusion. Und wir gestalten unsere Organisation so, dass alle mitgestalten können.
Das stärkt die Reputation nach innen wie nach außen. Wer glaubwürdig für Vielfalt einsteht, wird als zukunftsorientiert, reflektiert und verantwortungsbewusst wahrgenommen – Eigenschaften, die nicht nur Talente anziehen, sondern auch langfristige Geschäftsbeziehungen fördern.
Höhere Mitarbeiterbindung – Inklusion stärkt das Zugehörigkeitsgefühl
Menschen bleiben dort, wo sie sich gesehen fühlen. Nicht bloß geduldet, sondern gemeint. Nicht nur eingeladen, sondern wirklich einbezogen.
Ein barrierefreier Bewerbungsprozess ist oft der erste Moment, in dem dieses Gefühl entsteht – oder eben nicht. Wird hier schon Rücksicht genommen? Wird ein Nachteilsausgleich angeboten, ohne dass man sich rechtfertigen muss? Solche Signale bleiben hängen. Und sie wirken nach.
Denn wie ein Unternehmen mit Bewerber:innen umgeht, sagt viel darüber aus, wie es mit Mitarbeitenden umgeht. Wer schon im Recruiting auf Zugänglichkeit achtet, schafft oft auch im Arbeitsalltag bessere Bedingungen – durch inklusive Meetingformate, flexible Arbeitsweisen oder ein offenes Klima für Feedback.
Das Ergebnis: höhere Identifikation, stärkere Bindung, geringere Fluktuation. Ernst & Young beschreibt, wie das Gefühl von Zugehörigkeit messbar die Loyalität und Leistungsbereitschaft erhöht (EY 2023). Teams, die sich sicher fühlen, sind produktiver. Menschen, die sich einbringen können, bleiben länger.
Inklusion beginnt also nicht beim ersten Arbeitstag – sie beginnt mit dem ersten Eindruck. Und wer diesen gut gestaltet, legt das Fundament für echte Bindung.
Innovationskraft steigern – Diverse Teams bringen mehr Perspektiven ein
Innovation entsteht nicht im Gleichklang. Sie entsteht dort, wo Unterschiedlichkeit aufeinandertreffen darf – fachlich, kulturell, menschlich. Wer Vielfalt in Teams fördert, schafft Raum für neue Ideen. Doch damit diese Vielfalt ins Unternehmen gelangt, muss schon der Bewerbungsprozess offen sein. Und das heißt: barrierefrei.
Ein inklusiver Recruiting-Prozess ist der Türöffner für Perspektiven, die bisher oft draußen blieben. Menschen mit Behinderungen, neurodivergente Talente oder ältere Kandidat:innen bringen andere Erfahrungen ein – und damit oft auch andere Lösungswege. Studien zeigen: Diverse Teams treffen fundiertere Entscheidungen, sind kreativer und wirtschaftlich erfolgreicher (McKinsey 2020).
CareerTeam schreibt dazu: „Barrierefreie Prozesse erhöhen nicht nur die Fairness – sie verbessern messbar die Innovationsfähigkeit von Teams.“ Denn Zugang entscheidet darüber, wer sich bewirbt – und Vielfalt beginnt beim Zugang.
Erfüllung gesetzlicher Vorgaben – DSGVO & Gleichstellungsgesetze einhalten
Barrierefreiheit ist kein freundlicher Zusatz. Sie ist gesetzlich vorgeschrieben. Und die Anforderungen steigen.
Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) gelten ab Juni 2025 neue Vorgaben für die Barrierefreiheit digitaler Produkte und Dienstleistungen.
Diese betreffen insbesondere Angebote, die sich direkt an Verbraucher:innen richten – etwa Online-Shops oder digitale Bank- und Verkehrsservices. Ob auch Karriereseiten und Online-Bewerbungsformulare unter diese Regelung fallen, hängt vom Einzelfall ab. Arbeitgeber:innen, deren digitale Bewerbungsprozesse mit verbraucherbezogenen Dienstleistungen verknüpft sind, müssen gegebenenfalls nachbessern.
Unabhängig von der rechtlichen Pflicht gilt: Unternehmen, die Barrierefreiheit aktiv gestalten, stärken ihr Employer Branding.
Gleichzeitig verpflichtet das AGG Unternehmen dazu, niemanden im Bewerbungsprozess zu benachteiligen – auch nicht durch technische Hürden (Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2024). Die DSGVO verlangt zudem, dass sensible Daten wie gesundheitliche Angaben besonders geschützt verarbeitet werden (DSK 2023).
Doch es geht nicht nur ums Einhalten. Es geht um Haltung. Unternehmen, die Barrierefreiheit proaktiv umsetzen, zeigen: Wir warten nicht, bis wir müssen. Wir handeln, weil wir wollen.
Fazit: Inklusion als strategischer Vorteil – nicht als Fußnote
Barrierefreiheit im Recruiting ist kein Sonderthema. Sie ist ein Qualitätsmerkmal moderner Personalarbeit. Wer Zugänge schafft, gewinnt. An Vielfalt, an Sichtbarkeit, an Vertrauen. Und damit auch an Arbeitgeberattraktivität.
Die fünf genannten Gründe zeigen: Ein inklusiver Bewerbungsprozess ist mehr als ein ethisches Statement – er zahlt direkt auf Employer Branding, Mitarbeiterbindung und Innovationskraft ein. Gleichzeitig erfüllt er rechtliche Standards und zeigt Haltung.
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Quellen:
- Accenture (2023): Companies that Lead in Disability Inclusion Outperform Peers Financially
- Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2024): AGG & digitale Barrierefreiheit im Bewerbungsprozess
- CareerTeam (2025): Barrierefreie Bewerbungsprozesse – So erreichen Sie ein breiteres Feld von Talenten.
- Datenschutzkonferenz (DSK) (2023): Orientierungshilfe zur DSGVO im Recruiting
- EY (2023): Empowering a diverse workforce by creating a sense of belonging.
- Europäischer Rat (2025): Fakten und Zahlen zum Thema Behinderung in der EU. https://www.consilium.europa.eu
- Gallup (2024): State of the Global Workplace – Report
- McKinsey & Company (2020): Diversity Wins – How Inclusion Matters.
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (2021): Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz im Überblick